Da hat er mich so richtig überrascht, der Marco Goecke (Biographie siehe unten), wie er in der Hitze mit dem SWR quatscht und in jedem zweiten Satz Statements raushaut, die man unbedingt gern weitersagen möchte. Was hab ich gestaunt und auch gelacht. Schön!
Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von www.ardmediathek.de zu laden.
Künstler sind ja oft ein bisschen irre. Manche dabei aber durchaus sozialverträglich, unglaublich liebenswert, andere schwer für ihre scheinbar normale Umgebung zu ertragen. Aber was wären sie ohne diese Verrücktheit, ohne Unangepasstheit, kreative Gedankenstürme, wilde Assoziationsketten und was wären sie ohne eine gewisse „Ihr könnt mich mal“-Haltung?
Wie „irre“ Marco Goecke ist, und das meine ich in mit einer sehr, sehr wertschätzenden, respektvollen Haltung!, frage ich mich schon lange. Zumindest erscheint er in Interviews unglaublich sensibel, verletzlich. Sein unverkennbarer Tanzstil, den er in seinen Choreografien zeigt, würde ich als hastig und hektisch verstehen, unruhig, nervös, manchmal selbstkasteiend, erschöpfend, kraftvoll, detailliert. Liest man über ihn, gewinnt man den Eindruck, dass er sehr zurückgezogen lebt, ihn die Melancholie oft und heftig begleitet. Und er kreist um seinen Hund: Rassedackel Gustav. Der kommt überall mithin.
Das Interview also – schaut es Euch unbedingt an, er ist hier eingebettet und in der ARD-Mediathek zu sehen. Goecke probt mit seinen Tänzern von Gauthier Dance eine neue Choreografie mit dem Namen „Lieben Sie Gershwin?“. Es ist brüllend heiß, der Ventilator läuft. Der SWR betont, dass auch beim Proben so viel Abstand gehalten werden muss, dass sich Goecke und Assistenz auch gleich ans Fenster begeben und von dort ihre Anweisungen geben können. Man kommt in den Austausch. Ob das denn nicht eine sehr spezielle Art der Arbeit gerade sei… und Goecke sagt sehr schöne, wahre, schlaue und ziemlich krasse Dinge.
Ich glaub‘, man muss sich im Tanz auch immer wieder was trauen. Der Tanz ist so… lieblich überall und so geschliffen. So geschliffen öde. Ich seh‘ das auch bei jungen Choreografen, wo ich wirklich denke: Ihr müsst doch noch mal ein bisschen Wahnsinn auch im Tanz zulassen.
Den Corona-Wahnsinn habe Goecke ganz selbstbewusst im Griff.
Irgendwann kommt auch die Zeit, wo ich Choreografie vielleicht nur noch durchs Telefon durchgebe oder so. Kann man auch machen.
Noch ein Grund mehr, Goeckes unverkennbaren Tanzstil kennen zu lernen und auch zu verstehen. Ob man das tatsächlich am Telefon vermitteln könnte? Vielleicht, wenn man ihn und sein Repertoire schon einmal kennen gelernt hat.
Manchmal ist der Tanz verzweifelt, dann erlöst die Musik, manchmal ist die Musik verzweifelt, dann erlöst wieder der Tanz. Also das ist ja so wie Leben ist – auch.
„Lieben Sie Gershwin?“ ist hier zu sehen: 7. bis 12. Oktober und 18. bis 22. November im Theaterhaus Stuttgart, 13. und 14. November Gastspiel im Schauspiel Köln, 27. und 28. November Gastspiel im Theater Gütersloh.
ZU MARCO GOECKE
Marco Goecke wurde 1972 in Wuppertal geboren, absolvierte eine Ballettausbildung an der Ballettakademie der Heinz-Bosl-Stiftung München und am Königlichen Konservatorium Den Haag, wo er 1995 sein Diplom erhielt. Es folgten Engagements an der Staatsoper Berlin und im Theater Hagen, wo er 2000 mit „Loch“ seine erste eigene Choreografie realisierte. Mit den Stücken „Blushing“ und „Mopey“ lud ihn Pina Bausch im Oktober 2004 zu ihrem Festival 30 Jahre Tanztheater Wuppertal ein. Marco Goecke war von 2005 bis 2018 Hauschoreograph des Stuttgarter Ballett. Seine prägnante und avantgardistische Tanzsprache, das Ausloten und Ausdehnen der ästhetischen Grenzen sowie seine völlig neue Sicht auf den menschlichen Körper schärfen das moderne Profil des heutigen Bühnentänzers. 2015 wurde Goecke von der renommierten Fachzeitschrift TANZ zum „Choreograph des Jahres“ gekürt. Seit 2013 wirkt Marco Goecke außerdem als Associate Choreographer beim renommierten Nederlands Dans Theater (NDT) in Den Haag sowie seit 2018 als Hauschoreograf bei der Stuttgarter Compagnie Gauthier Dance. Seit Januar 2019 ist er Gauthier Dance als Artist in Residence verbunden, seit der Spielzeit 2019/20 hat er zudem die Ballettdirektion an der Staatsoper Hannover inne.
Quellen: Nadja Kadel Künstlermanagement, Staatsoper Hannover, Berliner Festspiele