Bodyguards am Set

Flugs ins (Programm-)kino: Da läuft seit dem 23. Juli „Als wir tanzten“, ein Coming-out- und Coming-of-Age-Film aus Georgien. Der Ort, an dem die Hauptfigur – Tanzstudent Merab – seine erste große Liebe Irakli trifft, ist die Akademie des Georgischen Nationalballetts in Tiflis. Doch in Georgien, so Regisseur Levan Akin, gibt es drei Dinge, die als Inbegriff der Tradition und der nationalen Identität gelten und hochgehalten werden: die Kirche, der traditionelle mehrstimmige Gesang und der traditionelle Nationaltanz.

„Auch ich habe früher getanzt – und mir vorgestellt, in einem Paralleluniversum er zu sein. Ich habe viele Tänzer interviewt und sie haben mir alle erzählt, wie konservativ und streng die georgische Tanzszene in Bezug auf Geschlechtervorstellungen ist. Also habe ich mich dazu entschlossen, die Story in diesem Umfeld anzusiedeln. (… ) Der Film wird vielen Leuten einen interessanten Einblick in einen Teil der Welt bieten, den sie nicht kennen. Und es ist ein aufrichtiger Film über die Bedeutung frei zu sein.“

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Merab (re., Levan Gelbakhiani) verliebt sich in Irakli (li., Bachi Valishvili). Der SPIEGEL schreibt: „Transformationen, die sich auch im Tanz selbst niederschlagen. Dieser bildet den sinnlichen Kern und den Reibungspunkt des Films, ist ebenso Korsett wie Potenzial, Regelwerk wie Regelbruch.“ // Trailer des Films „Als wir tanzten“ von Levan Akin, Edition Salzgeber.

Levan Akin, der in Schweden lebt und mit „Als wir tanzten“ in Cannes als Entdeckung gefeiert wurde und seither zig Filmpreise gewonnen hat, fragte anfangs „naiv“, wie er sagt, das angesehene Sukhish-vili-Ensemble an, ob es den Film unterstützen würde, „etwa indem sie uns mit Tänzern zusammenbringen könnten. Doch uns wurde unverzüglich mitgeteilt, dass Homosexualität im georgischen Tanz nicht existiere, und wir wurden gebeten, zu gehen. Der Leiter des Ensembles rief darauf hin alle anderen Ensembles in Georgien an und „warnte“ sie vor uns. Dieses erste Treffen hat unsere Pläne damit mächtig sabotiert und unsere Arbeit noch schwerer gemacht. Wir mussten unter großer Geheimhaltung und immensem Druck arbeiten. Wir hatten sogar Bodyguards am Set.“

Szene aus „Als wir tanzten“ von Regisseur Levan Akin. Edition Salzgeber

Das Thema der Geschlechteridentität im Setting eines Tanzfilms umzusetzen ist nicht neu, man denke nur an „Billy Elliot“ und die ewige Frage: „Wie weiblich ist Tanz und wie männlich oder weiblich muss oder darf ein Tänzer sein?“ „Als wir tanzten“ bietet noch weitere Dimensionen: Zum Beispiel einen Einblick in die georgische Gesellschaft, die für viele von uns weit weg und fremd sein dürfte. Ein Land, das während seiner Geschichte immer wieder unter Besetzern litt und deren Verfassung, wie die vieler ehemaliger Staaten der Sowjetunion, fragil ist. Das Beharren und die Pflege auf traditionellen Werten ist dann häufig eine Folge, umgesetzt mit oft gewalttätigen, menschenfeindlichen Maßnahmen.

2013 wurde ich Zeuge, wie eine Gruppe von mutigen jungen Menschen in Tiflis versuchte, eine Pride Parade zu veranstalten. Sie wurden jedoch von Tausenden Teilnehmern einer Gegendemonstration attackiert, organisiert von der Orthodoxen Christlichen Kirche. Da wusste ich, dass ich mich diesem Thema in irgendeiner Weise widmen musste.

Levan Akin, Interview zum Film. Bei: SALZGEBER & CO. MEDIEN GMBH

Wo und wann der Film genau läuft, könnt Ihr hier nachsehen.

In Georgien kam es beim Filmstart zu Protesten, was unter anderem der SPIEGEL berichtete.

Viele Kritiker sind begeistert, so auch Knut Elstermann vom MDR.

Die Jungle World berichtete bereits mehrfach über die Techno-Szene in Tiflis und die sich dort bewegende LGBT-Szene. In „Tanzen gegen die Reaktion“ heißt es: „Lange Zeit galt Georgien als eines der homophobsten Länder des Ostens, eine Umfrage im Jahr 2013 ergab, dass mehr als 90 Prozent der Befragten Homosexuelle nicht als Nachbarn haben wollten. Noch immer hält die ­große Mehrheit der Bevölkerung Homosexualität für inakzeptabel. Dass sich das Ressentiment nicht nur in Umfragen äußert, zeigte sich vor fünf Jahren: Am 17. Mai 2013, dem »Internationalen Tag gegen Homophobie und Transphobie« (IDAHOT), kam es in der Innenstadt von Tiflis zu einer von orthodoxen Klerikern angeführten Hetzjagd. Ein Mob aus über 20 000 Anhängern des Klerus sowie faschistischen Gruppen attackierte eine kleine Demonstration für die Rechte von LGBT.“

Teilen